Technik: Anti-Dive

Mit den Katanas hielt 1981 ein System in der Motorradtechnik seinen Einzug, das das Fahrwerk der sportlichen Maschinen wesentlich verbessern sollte: das Anti-Dive-System.
In ähnlicher Form war es aus dem Rennsport bekannt und wurde hier erstmals dem Normalenverbraucher geboten.
Suzuki nannte seine Version "ANDF - Anti Nose Dive Fork". Der Name lässt erkennen, wo das System angeordnet wurde, in der Vorderradgabel.
Und wozu das Ganze? Die dynamische Radlastverlagerung beim Bremsen verlagert das Fahrzeuggewicht fast ganz auf das Vorderrad. Folglich gibt die Federung der Gabel nach und taucht tief ein - der bekannte Gummikuh-Effekt.
Das wäre nicht weiter schlimm, wenn sich dabei nicht nur die Lenkgeometrie verändern, sondern auch die Federung nennenswert verhärten würde. Folge: Schlaglöcher werden nicht mehr absorbiert und das Rad hat beim Überfahren von Querrillen keinen ordentlichen Bodenkontakt mehr.
Nun könnte man ganz einfach die Federung so progressiv gestalten, dass sie bei extremen Eintauchen einfach sehr viel härter wird, aber dann würde sie bei hoher Zuladung falsch abgestimmt sein.
Suzuki dachte daher an ein System, das im Normalzustand wie üblich arbeitet und nur beim Bremsen aktiv ist. Es ist naheliegend, zur Steuerung und Regelung des Anti-Dive-Systems den Hydraulikdruck der Bremse zu benutzen und zwischen Bremshydraulik und Gabel-Dämpfungshydraulik eine vollkommene Trennung zu schaffen. So wird das Eintauchen nur unterdrückt, wenn vorne gebremst wird. Ansonsten dämpft die Gabel ganz normal.

Die Katana-Gabel ist zunächst ganz konventionell aufgebaut: 
Tauchrohr, Standrohr, Hochdruckraum und Niederdruckraum im Dämpferteil. Die Druckräume werden üblicherweise durch genau bemessene Bohrungen miteinander verbunden, um die Dämpferfunktion zu gewährleisten. 
Nicht so beim ANDF-System: Wird die Bremse gezogen, sorgt ein spezielles Steuerventil für einen höheren Durchflusswiderstand für das Dämpferöl, wodurch sich die Dämpfung sehr stark verhärtet. Auf die Federung hat dies keinen Einfluss und sie kann wie gewohnt arbeiten.

Um das Ganze auch bei kritischen Fahrzuständen funktionsfähig zu halten, 
wurden zusätzlich ein paar Sicherungen eingebaut. Eine Regulier- und Entlastungsfeder verhindert, dass die Dämpfung beim Überfahren von heftigen Bodenwellen zu hart wird und die Gabel damit praktisch gegen einen Flüssigkeitsanschlag auf Block geht. 
Zusätzlich verbindet ein Öldruckregelventil den Hoch- und Niederdruckraum direkt miteinander, um beim Ausfedern der Gabel das System wieder freizugeben und das Ausfedern nicht zu behindern. 
Das Suzuki-ANDF-System war extrem kompakt und leicht, um die ungefederten Massen um die Lenkachse zu minimieren.

Das Ergebnis der Bemühungen war zwiespältig: 
Auf Landstraßen oder in der Stadt war das Ansprechverhalten der Gabel etwas schlechter und der Druckpunkt der Bremse schwammiger. Doch beim Zusammenbremsen aus hohen Geschwindigkeiten arbeitete ANDF stets perfekt.

Anti-Dive deaktivieren?
Da manche Biker/innen mit der Funktion des Anti-Dive nicht so recht zufrieden waren oder sind, wird häufig an ein Stilllegen gedacht. Ich empfehle es nicht, aber beschreibe die nötigen Arbeiten für Interessierte hier trotzdem.
Zunächst muss man die Bremsflüssigkeit in der Vorderradbremse ablassen. Dann kann man die Hohlschrauben, die die kurze Leitung zwischen Anti-Dive und Bremszange halten, herausdrehen. Die Zwischenleitung wird entfernt und mit der kurzen Hohlschraube wird die verbliebene Bremsleitung wieder an der Bremszange befestigt. Die lange Hohlschraube wird nicht mehr benötigt. 
Der nun offene Anschluss am Anti-Dive muss man mit einer geeigneten Schraube wieder verschließen, damit kein Schmutz oder Wasser eindringen kann. Das Ganze macht man natürlich auf beiden Seiten.
Nachdem neue Bremsflüssigkeit eingefüllt wurde, müssen die Bremsen entlüftet werden.
In Deutschland muss man den Umbau noch einem Sachverständigen (TÜV, Dekra) vorführen und ihn in die Fahrzeugpapiere eintragen lassen, sonst erlischt die Betriebserlaubnis.

© Michael (04.10.03 )    [Start]