Technik:
Auswuchten
Über
kaum eine Technik wird so viel Falsches verbreitet,
wie das Auswuchten. Das liegt daran, dass über dieses
Spezialgebiet nur wenig Literatur existiert und es
auch nur einige Spezialisten gibt, die etwas davon
verstehen. Ganz besonders, wenn es um das Auswuchten
von Kurbeltriebseinzelteilen und andere Rotoren in
Motorrädern geht.
Für das Auswuchten benötigt man besonders präzise
Auswuchtmaschinen und Erfahrung. Mit einer
Radauswuchtmaschine beim Reifenhändler kommt man
nicht weit. Wer also etwas "wuchten"
möchte, sollte sich den Betrieb genau anschauen, um
keine Enttäuschung zu erleben. Tipp: Der größte Anbieter
für Auswuchtservice ist die bekannte Firma SCHENCK.
Dort kümmert man sich auch um Privatleute.Doch genug philosophiert: Um Auswuchten zu
verstehen, müssen wir ein wenig in die Technik
einsteigen. Unwucht ist eine Masse, die um einem
Radius aus der Rotationsachse verschoben ist und so
Fliehkräfte produziert. Unwucht ist ein Vektor und
die Formel ist U = m x r (d.h. Masse mal
Radius). In den folgenden Bildern seht ihr einen
allgemeinen Rotor mit Wellenzapfen, der auf Lagern
(Dreiecke) eingelagert ist. Die roten Elemente sind
die gesuchten Unwuchten und die Pfeile symbolisieren den
Unwuchtvektor.
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Unwuchtarten
Ist eine einzelne Unwuchtmasse in der Ebene des
Rotorschwerpunktes angeordnet, spricht man von
"statischer Unwucht" (Abb. 1). Die kann
man leicht ermitteln. Denn lässt man diesen Rotor
frei drehen, wird er solange auspendeln, bis die
„schwere Stelle“ nach unten zeigt. Setzt man
jetzt auf der gegenüberliegenden Seite ein
gleichgroßes Gewicht an, ist der Rotor
ausgewuchtet. Dieses Verfahren wird statisches
Auswuchten genannt.
Wenn sich zwei gleich große Unwuchtmassen an
beiden Rotorenden befinden und genau um 180°
verdreht sind (Abb. 2), handelt es sich um "Momentenunwucht".
Auspendeln hilft dann nicht mehr. Der Rotor wird
eine Taumelbewegung ausführen, die jedoch nur
unter Rotation erkannt wird. Daher benötigt man
für das Auswuchten auch Maschinen, die rotierend
messen. Dieses Verfahren wird dynamisches
Auswuchten genannt.
Nur sehr dünne Scheiben haben eine rein
statische Unwucht. Meist kommen in üblichen
Rotoren sowohl statische als auch Momentenunwucht
gleichzeitig vor. Dann werden in beiden Ebenen
unterschiedlich große Unwuchtmassen und dazu noch
unter unterschiedlichen Winkeln gemessen. Das
nennt man "dynamische Unwucht" (Abb.
3).
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Auswuchtmethoden
Wurde eine Unwucht erkannt, kann diese auf
verschiedene Arten ausgeglichen werden. Oft montiert
man ein Ausgleichsgewicht genau gegenüber der
Unwuchtposition, ähnlich wie beim Auswuchten von
Rädern. Eine andere Methode ist, direkt an der
Unwuchtposition Material zu entfernen, beispielsweise
durch Bohren oder Abfräsen. Dies wird meist beim
Auswuchten von Kurbelwellen, Schwungscheiben,
Kupplungen oder Lima-Rotoren gemacht.
Um alle Unwuchtarten gleichzeitig zu entfernen, sollte
man das dynamische Auswuchten wählen. Mit dem
statischen Wuchten bzw. dem Auspendeln kann man nur
den statischen Unwuchtanteil ausgleichen. Darüber
hinaus ist das statische Auswuchten auch ungenauer als
die Verfahren bei Auswuchtmaschinen, die mit Rotation
arbeiten. Daher arbeiten alle Motorradhersteller auch
stets mit solchen "dynamischen
Auswuchtmaschinen".
Was uns zum Begriff des "Feinwuchtens"
bringt. Darunter versteht man eine besonders präzise
Unwuchtmessung sowie einen entsprechenden
Unwuchtausgleich. Hat man sich zum Auswuchten eines
Bauteiles entschlossen, sollte man auf
"dynamisches Feinwuchten" bestehen. Die
Mehrkosten zum einfachen statischen Wuchten sind in
der Regel gut angelegtes Geld.
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Austarieren von Kolben
und Pleuelstange
Um den Massenausgleichs eines Motors zu
optimieren, sollte man vor dem Auswuchten die
Kolben und Pleuelstangen genau tarieren, d.h. auf
ein einheitliches Gewicht bringen.
Kolben können auf einer Digital-Waage
gewogen werden (Abb. 1). Die schwereren Kolben
sollten danach auf das Gewicht des leichtesten
Kolbens gebracht werden (hier 125 g), indem an
unkritischen Stellen (!) Material abgenommen wird.
Schwieriger wird es bei der Pleuelstange, denn das
Gesamtgewicht zählt hier nicht. Stattdessen
müssen beide Seiten separat gewogen werden.
Man benötigt dazu eine Vorrichtung, die
ein Pleuelauge auf der Waage aufnimmt und eine
weitere mit der das andere gehalten werden kann.
Jetzt wiegt man erst den oszillierenden
Gewichtsanteil des Pleuels (Abb. 2, grün). Dann
dreht man das Pleuel und ermittelt den rotierenden
Gewichtsanteil (Abb. 3, orange).
Wurde alles fein säuberlich gewogen und
aufgeschrieben, kann man jedes Pleuelende
entsprechend erleichtern, bis die Gewichtsanteile
etwa gleich sind. In diesem Beispiel haben
alle "kleinen" Enden 180 g und alle
"großen" Enden 300 g. Hat man richtig
gearbeitet, ist das Gesamtgewicht 480 g.
Aber Vorsicht: Material immer nur an unkritischen
Stellen abnehmen!
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Gerade
das separate Auswiegen der Gewichtsanteile ist
kniffelig, denn mit der falschen Vorrichtung und einer
ungenauen Waage kann man leicht Fehler machen.
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Auswuchten der
Kurbelwelle
Das Gleiche gilt für das Feinwuchten der
Kurbelwelle, denn diese wird in mehreren Ebenen
ausgewuchtet. Das geschieht durch Bohren in die
Gegengewichte (Abb. 1, rote Pfeile) oder durch
Zufügen von Schwermetall (blauer Pfeil), wenn das
Gegengewicht zu "leicht" ist.
Noch schwieriger wird es bei bestimmten Motoren
(z.B. Zweizylinder). Dabei werden so genannte
Ringgewichte oder Meisterringe auf die Hubzapfen
geschraubt (Abb. 2, blaue Elemente), um die nicht
vorhandenen Pleuel und Kolben zu simulieren. Die
werden genau an den Motor angepasst.
Lassen sich die Pleuel aber nicht entfernen,
müssen diese in einer Stellung während des
Auswuchtens fixiert werden und zusätzliche
Meistergewichte verwendet werden (Abb. 3). Das
kann nur ein qualifizierter Fachbetrieb.
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Alle Informationen, die ich hier gebe, dienen nur dem
Verständnis der Zusammenhänge. Ich rate unbedingt,
Auswuchtarbeiten in die Hände von Spezialisten zu
geben, die die nötige Ausrüstung und Erfahrung
haben. Wer hier unwissend herangeht oder Kompromisse
eingeht, produziert schnell Schrott. |
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© Michael (27.03.06
) [Start]
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