Wie man ein gekipptes Motorrad wieder aufrichtet.
Übersetzung des Artikels "Righting a Wronged Motorcycle"
von Pat Hahn

Wenn du verletzt, was du liebst, willst du die Sache instinktiv gleich in Ordnung bringen. Ob es nun Schicksal ist, die Folge von Leichtsinn oder pure Absicht: Es gibt kaum Schlimmeres, als das geliebte Motorrad auf der Seite liegen zu sehen - zerkratzt und mit leckenden Vergaser.
Heute wird Dr. Pat erklären, wie du das wieder rückgängig machen kannst und vielleicht, wenn du sehr nett bist, wird dir dein Motorrad vergeben. Obwohl es die Narben deiner Taktlosigkeit noch lange tragen wird.

Aber Vorsicht: Ein Motorrad aufzurichten kann sehr gefährlich sein und zu ernsten Verletzungen führen, wenn man es falsch oder mit zu wenig Standfestigkeit angeht. Versuche immer zuerst Hilfe von anderen zu bekommen. Und denke dran, du willst nicht, dass sich die Helfer dabei auch verletzen.
Du solltest klar denken können, gesunden Menschenverstand nutzen und in guter körperlicher Verfassung sein. Halte deinen Körper gerade und hebe nur mit der Kraft deiner Beine. Versuche die Gewalt über dein Motorrad zu behalten und drehe beim Heben niemals deinen Körper. Suche nach Schäden am Motorrad bevor du weiterfährst.
So, nun haben wir den unvermeidlichen Haftungsausschluss hinter uns. Lass uns also über schweres Heben reden!

Da das Mentale beim Motorrad fahren wichtiger ist als das Physische, gilt dies auch für das Aufheben. Motorräder sind schwere Eisenhaufen. Überlege zuerst, wie du es anstellen wirst. Du würdest auch nicht hergehen und einen Kühlschrank einfach herumwuchten. Was würdest du tun, wenn der sogar 300 kg wiegt? Ohne eine vernünftige Strategie verletzt du dich schneller als ein Harley-Fahrer seine Werkzeugtasche unter dem Sitz herausreißen kann. Die Vorbereitung auf den Gewaltakt erfolgt in drei Schritten:

Beurteile deine Situation
Nimm dir Zeit, dich zu beruhigen. Es kann eine traumatische Erfahrung sein, dein Motorrad am Boden zu sehen. Keine Eile, es wird ohne dich nirgendwo hingehen. Verbringe ein paar Minuten damit, die Situation zu durchdenken. Bist du verletzt? Berücksichtige dein Alter und überlege, wann du dich das letzte Mal richtig angestrengt hast. Wärst du in der Lage, dein Motorrad unter normalen Umständen aufzuheben? Willst du es überhaupt aufheben? Ist es unter den gegebenen Umständen sicher, dies zu tun?
Du hast für diesen Kraftakt alle Zeit der Welt, also nehme sie dir und beurteile deine Situation.
Es ist immer besser, Hilfe zu holen. Nach meiner Erfahrung helfen Leute gerne. Irgendetwas weckt den Gewichtsheber in jedem immer dann, wenn ein Motorrad auf der Seite liegt. Aber denke dran: Wenn jemand helfen will, warne ihn vor dem heißen Auspuff, mache ihn darauf aufmerksam, dass die Blinker keine Tragegriffe sind ... usw. 
Pass auf, dass der Helfer richtig hebt. Du willst sicher nicht, dass der selbstlose Mensch verletzt wird und seine Anwälte auf dich hetzt.

Prüfe die Umgebung
Wenn durch Verkehr Gefahr besteht, entferne dich vom Motorrad und suche dir einen sicheren Platz. Lass die lokalen Ordnungshüter die Stelle sichern, bevor du dein Motorrad aufrichtest. Bist du direkt neben einem Graben? Hast du eine feste Oberfläche zur Verfügung? Ist der Asphalt nass? Du willst nicht ausrutschen und unter deinem Zweirad eingeklemmt werden. Stell dir nur die schreckliche Szene vor, wenn in ein paar Jahren Wanderer vorbeikommen und ein ausgeblichenes Skelett unter einem rostigen Haufen finden, der einmal ein Wunderwerk der Technik war.

Schau nach deinem Motorrad
Schalte die Zündung aus, entweder über den Kill-Schalter oder besser den Zündschlüssel. Schließe am Benzinhahn die Spritzufuhr. Auslaufender Kraftstoff ist ein typisches Problem, deshalb ist besondere Vorsicht geboten. Obwohl das in Hollywood-Filmen immer anders dargestellt wird, für ein Feuer oder gar eine Explosion braucht es einen Funken, eine Flamme oder ein schwelendes Kabel.
Falls das Motorrad auf der rechten Seite liegt, klappe den Seitenständer aus und lege einen Gang ein, damit es nicht wegrollt. Liegt es auf der linken Seite ist das natürlich nicht möglich. Dann solltest du das Vorderrad blockieren - beispielsweise indem du den Handbremshebel mit einem Kabelbinder festsetzt oder ein Bremsen- bzw. Bügelschloss am Rad befestigst.
Gehe in jeden Fall umsichtig vor, denn du willst dein Motorrad schließlich nicht hochheben und gleich wieder auf die andere Seite werfen. Andere Helfer werden ihre Hilfsbereitschaft schnell verlieren, wenn man so einen Blödsinn machst.

Jetzt kann es endlich losgehen. Hier beschreibe ich Methoden, die normalerweise angewendet werden.

Methode 1:  Vom Motorrad wegschauen
Sie eignet sich besonders für schwere Maschinen, kann aber auch an allen anderen angewendet werden.

Drehe den Lenker möglichst weit bis zum Anschlag, so dass die Lauffläche des Reifens zum Boden gerichtet ist.
Finde den Punkt des Gleichgewichts zwischen Reifen, Motor, Schutzbügel und Fußrasten. Bis dahin kann man das Motorrad leicht heben. Danach wird es schwieriger und du hast die Verantwortung für die Hauptlast beim Heben.

   
Lehne dich mit dem Hintern oder dem unteren Rücken gegen die Sitzbank. Halte dabei den Rücken gerade und den Kopf nach oben.

Strecke die Beine etwas nach vorne, wobei die Füße etwa auf Schulterbreite auseinander und flach auf dem Boden stehen.

Ergreife mit der einen Hand die Lenkstange am Griff. Dabei ist die Handfläche vom Motorrad abgewandt und das Handgelenk sollte gerade gehalten werden.

   
Packe mit der anderen Hand den Bügel zum Aufbocken des Motorrades oder eine andere geeignete Stelle, z.B. den Rahmen oder den Gepäckträger. Finger weg vom heißen Auspuff, den Blinkern oder der Sitzbank.

Stemme die Füße gegen den Boden, den Rücken gegen das Motorrad und mache kleine Schritte rückwärts. Die Fuhre wird sich langsam aufrichten. 
Auf losem oder rutschigen Untergrund wird das manchmal nicht funktionieren. Auf Schrägen kann es sogar sehr gefährlich werden.

   
In kleinen Schritten geht es weiter, bis dein Bike wieder senkrecht steht. Je weiter du vorgehst, desto leichter wird es sein. Achte daher darauf, dass du es nicht zur anderen Seite herüberdrückst.

Jetzt kannst du dich vorsichtig herumdrehen und das Motorrad sicher auf den Seiten- oder Hauptständer stellen.

   
Methode 2: Zum Motorrad schauen
Sie ist das Richtige für leichte und mittlere Motorräder.

Drehe den Lenker möglichst weit bis zum Anschlag, so dass die Lauffläche des Reifens nach oben gerichtet ist.

Finde den Punkt des Gleichgewichts zwischen Reifen, Motor, Schutzbügel und Fußrasten. Auch hier gilt, dass man das Motorrad bis zu diesem Punkt leicht heben kann. Danach wird es schwer und du musst deine Muskeln spielen lassen.

   
Hocke dich sehr nahe an den Lenker. Die Füße müssen flach auf dem Boden und auf Schulterbreite auseinander stehen.

Packe mit beiden Händen den Lenkergriff und halte ihn nahe am Körper.
Jetzt hebe die Fuhre durch strecken der Beine, denn in den Oberschenkeln hast du die meiste Kraft. Halte dabei den Rücken gerade und den Kopf nach oben. Niemals aus dem Rücken heraus heben!

   
Je weiter man nach oben kommt, desto kippeliger wird das Ganze, wenn du vorher keinen Gang eingelegt hast.

Sollte die Kraft ausreichen, greife mit einer Hand nach der Vorderradbremse. Falls nicht, versuche wenigstens mit dem Fuß einen Gang einzulegen.

So kann das Motorrad nicht mehr wegrollen und du hast beinahe gewonnen.

   
Werde aber jetzt nicht übermütig. Da es nach oben auch immer leichter geht, besteht die Gefahr, dass du dein Motorrad zur anderen Seite herüberdrückst.

Ist jedoch alles wieder im Gleichgewicht, kannst du es sicher auf den Seiten- oder Hauptständer stellen.

 

Dieser Artikel stammt von Pat Hahn, der mir die freundliche Genehmigung für die Veröffentlichung gegeben hat. Der Beitrag ist in englischer Sprache bei motorcyclesafety.state.mn.us erschienen.
Pat ist auch der Autor folgender Bücher "Ride Hard, Ride Smart: Ultimate Street Strategies for Advanced Motorcyclists" und "How to Ride a Motorcycle: A Rider's Guide to Strategy, Safety, and Skill Development"
© Übersetzung und kleinere Ergänzungen von Michael (25.02.07 )    [Start]