Abstimmung einer Federgabel
von Dr.-Ing. Rainer Nowak

Teil 2: Auslegung der Vorderradaufhängung mit klassischer Federgabel

Die folgenden Berechnungen basieren auf den technischen Daten einer Honda CB500Four, die Ergebnisse können aber auf andere klassische Motorräder mit ähnlicher Vorderradaufhängung übertragen werden 
     
 
Diagramm
Fahrsicherheit und -komfort

Die Grafik zeigt, wie sich die Änderung von Massen, Federraten und der Dämpfungskonstante einer klassischen Vorderradaufhängung auf die Eigenschaften Fahrsicherheit (relative Radlastschwankung) und Fahrkomfort (relative Schwingstärke des Aufbaus) auswirken.

  
Berechnungsgrundlagen

Um das fahrdynamische Verhalten zu berechnen, wurde die Vorderradaufhängung als gedämpfter Zweimassenschwinger simuliert:

  • k ist die Dämpfungskonstante der Gabel
  • c1 die Federrate des Reifens
  • c2 die Gesamtfederrate der Gabel (= Summe aus Stahlfeder und Luftfeder beider Gabelholme)
  • m1 ist die Masse des Rades
  • m2 ist die von der Federgabel anteilig zu tragende Aufbaumasse (= anteilige Masse von Motorrad und Fahrer).
  • Die Zahlen (siehe hellgrauer Kasten in der Grafik) zeigen die Bereiche in denen die Größen variiert wurden.

Der Punkt in der Mitte des Bildes stellt die eine mögliche Auslegung der Vorderradaufhängung dar und beschreibt das Schwingungsverhalten des Aufbaus auf welliger Straße um die Gleichgewichtslage (K0-Lage) bei Geradeausfahrt mit konstanter Geschwindigkeit v = 72 km/h. Durch Änderung der Größen k, c1, c2, m1 und m2 kann man den Auslegungspunkt verschieben und das Fahrverhalten ändern.
Geringe Radlastschwankung bedeutet, dass das Rad einen besseren Bodenkontakt hat und statistisch weniger oft abhebt, geringe Schwingstärke bedeutet einen höheren Fahrkomfort. Die fahrdynamischen Eigenschaften der Vorderradaufhängung werden also verbessert, wenn sich der Auslegungspunkt in die untere linke Ecke des Diagramms (geringe Radlastschwankung und geringe Schwingstärke) verschiebt. Sie verschlechtern sich, wenn der Auslegungspunkt in die obere rechte Ecke wandert.

Bei Anhebung der Dämpfung, der Federsteifigkeiten oder der Massen verschiebt sich der Auslegungspunkt in Pfeilrichtung entlang der jeweiligen Linie und bei Absenkung  entgegen der Pfeilrichtung.
Man erkennt an den Pfeilen, dass eine härtere Reifenfeder oder eine größere Radmasse (d.h. eine größere ungefederte Masse) die Radlastschwankung erhöhen und damit die Fahrsicherheit verschlechtern. Eine härtere Aufbaufederung (Gabelfederung) erhöht sowohl die Schwingstärke als auch die Radlastschwankung und verschlechtert damit ebenfalls das Fahrverhalten. Eine höhere Aufbaumasse (höheres Gewicht des Motorrades oder des Fahrers) verbessern dagegen den Fahrkomfort und die Fahrsicherheit.  

Die Wirkung der Dämpfung auf das Verhalten der Federgabel ist komplizierter. Wird die Dämpfungskonstante zu stark erhöht (härtere Dämpfung) oder zu sehr verringert (weichere Dämpfung), verschlechtern sich Fahrkomfort und Fahrsicherheit deutlich aber mit unterschiedlicher Ausprägung (siehe Steigung der Kurve im Diagramm).
Die richtige Dämpfungskonstante und damit die optimale Abstimmung muss also für jedes Modell durch Berechnung oder durch Versuchsfahrten individuell ermittelt werden. Dabei spielt die Viskosität des Gabelöls eine untergeordnete Rolle. Die Dämpfung wird im Wesentlichen von der Geometrie und den Bohrungen (Drosseln) der internen Dämpfungsventile und der Dichte des Öls bestimmt.  

Zur Überprüfung wurden die Dämpfungskräfte bei verschiedenen Ölviskositäten gemessen. Ziel war es festzustellen, wie groß die viel diskutierten Unterschiede zwischen 5W und 15W bei verschiedenen Relativgeschwindigkeiten zwischen Standrohr und Tauchrohr wirklich sind. Das Ergebnis war ernüchternd. Am Prüfstand konnten keine nennenswerten Unterschiede festgestellt werden.  

    
Fazit
  • Die Gabelfedern sollten im Arbeitsbereich der Gleichgewichtslage (K0-Lage) eine möglichst geringe Federrate haben, also weich sein.
  • Damit dadurch die Gleichgewichtslage nicht absinkt bzw. der negative Federweg nicht kleiner wird, muss bei niedriger Federrate die Feder mehr vorgespannt werden.
  • Durch etwas mehr Gabelöl bzw. ein kleineres Einstellluftpolster wird sichergestellt, dass die Standrohre bei Belastung nicht auf den Tauchrohrboden durchschlagen.
  • Das Rad sollte möglichst leicht sein (kleine ungefederte Masse) und nicht zu hart aufgepumpt werden (niedrig Reifenfederrate).
  • Der Einfluss der Viskosität des Gabelöls auf das Dämpfungsverhalten einer klassischen Federgabel ist gering. Die Werbung der Hersteller von progressiven Federn, die “ein genau auf den Einsatzfall abgestimmtes Öl” entwickelt haben wollen und dafür verschiedene Viskositäten anbieten, ist im Fall der klassischen Bikes kritisch zu hinterfragen.
Hier geht es zurück zu  Teil 1.

© Dr.-Ing. Rainer Nowak
Dieser Artikel stammt von Rainer, der mir die freundliche Genehmigung gegeben hat, diesen hier zu veröffentlichen. Rainer restauriert und fährt CBFour Klassiker von Honda und hat mit dieser Abstimmungshilfe gute Erfahrungen gemacht. Bei Fragen könnt ihr ihm eine Mail schicken.
Michael  (28.05.17 )    [Start]