Kleine Kraftstoffkunde
oder welchen Kraftstoff und welche Zusätze sollte man tanken...?

"Benzingespräche" am Stammtisch drehen sich manchmal tatsächlich um Kraftstoff. Und die landläufige Meinung ist, dass Super-Kraftstoff immer besser als Normal-Kraftstoff ist. So ist es eine beliebte "Tuningmaßnahme", mit Super oder gar mit dem 100-Oktan-Edelsprit zu fahren und ein wenig mehr Motorleistung herauszukitzeln. Auch Kraftstoffadditive werden manchmal als Geheimtipp gehandelt.
Um die Wirkung des teuren Saftes etwas besser einzuschätzen, sollten wir uns ein wenig mit seinen Innereien und Eigenschaften beschäftigen. 
Wem das aber zu langweilig ist, der kann gleich zur Empfehlung springen.

Aus Öl wird Benzin
Benzin wird durch Destillation, einem thermischen Verfahren, aus Rohöl gewonnen. Dabei entstehen eine Vielzahl Kohlenwasserstoff-Bausteinen. Man spricht auch von Alkanen. Sie reichen vom einzelnen Kohlenwasserstoffmolekül (Methan), über n-Heptan bis zu einer langen Kette von Molekülen (Isooktan). Jede dieser Verbindungen hat verschiedene Eigenschaften bei der Verbrennung unter hohem Druck und hoher Temperatur.  So reagieren sie auch unterschiedlich hinsichtlich der Klopffestigkeit.

Verbrennen oder Klopfen?
Normalerweise wird das Kraftstoff-Luft-Gemisch durch den Zündfunken entzündet und brennt in einer mehr oder minder gesteuerten Flammenfront ab (mehr dazu hier).
Beim "Klopfen" wird nicht verbrannt, sondern das Gemisch detoniert unkontrolliert. Dies passiert, wenn es meist kurz vor der eigentlichen Zündung zu einer spontanen chemischen Reaktion mit dem Sauerstoff kommt. 
Der beschriebene Vorgang ist also eine "Selbstentzündung", die irgendwo in der Verbrennungskammer anfängt, sehr heftig abläuft und bei der der Kolben noch in der Aufwärtsbewegung der Pleuelstange gegen diese gepresst wird. Die Detonation wird dann als tickendes oder gar klopfendes Geräusch gehört und steigert den Verbrennungsdruck weit über die normalen Werte. Kein Wunder also, das Kolben, Pleuel und die Lager dabei über Gebühr belastet werden. 
Kurzfristiges "Beschleunigungsklopfen" ist relativ ungefährlich, aber länger andauerndes Klopfen im Hochgeschwindigkeitsbereich wird oft überhört und kann schwere Motorschäden hervorrufen. Die Kräfte können so groß werden, dass kleine Stücke aus der Kolbenoberfläche herausgerissen werden.
Klopfen wird durch viele Faktoren beeinflusst - durch Kompression, Temperatur, Ölkohleablagerungen und natürlich auch durch einem Kraftstoff mit nicht ausreichender Klopffestigkeit.

Kraftstoff ist ein Mix
Wie oben beschrieben, reagieren die Molekülketten im Kraftstoff ganz unterschiedlich. Iso-Oktan ist besonders träge und neigt am wenigsten zu Selbstentzündung, während n-Heptan richtig explosiv ist.  Am besten wäre es also, den Kraftstoff ganz aus Iso-Oktan herzustellen, aber leider ist dieser Stoff eher selten nach der Destillation zu finden und so wäre solch ein Kraftstoff auch sehr teuer.
Daher vermischt man Oktan mit den anderen Kohlenwasserstoffketten (z.B. Methan,  n-Heptan, Trimethylpentan), um so einen preiswerteren Kraftstoff zu erhalten, der dennoch für die meisten Motoren ausreichend ist. Aber das Geheimnis für einen klopffesten Sprit ist zunächst mal der Gehalt an (Iso-)Oktan oder auch anderen Zusätzen.
Leider sind diese Antiklopfmittel, z.B. Bleitetraethyl oder auch Benzol und dessen Derivate, entweder krebserregend oder schlicht giftig und wurden teilweise verboten. Mit diesen Zusätzen können Oktanzahlen von über 100 erreicht werden.
Daneben werden bei Marken-Kraftstoffen Zusätze beigefügt, die einen verbesserten Korrosionsschutz im Kraftstoffsystem bieten und die Ablagerungen in Einspritzpumpen, Ansaugkanälen oder auf Einlassventilen verhindern sollen. 

Die Oktanzahl
Schon früh definierte man ein Maß für die Klopffestigkeit - die Oktanzahl. Je stärker verzweigt die Kohlenwasserstoffverbindungen sind, desto höher ist deren Oktanzahl. n-Heptan hat eine Oktanzahl 0, ist also ist sehr klopffreudig. Trimethylpentan und Iso-Oktan haben jeweils die höchste Oktanzahl von 100.

ROZ
Research-Oktanzahl
ROZ ist in Europa üblich. Um den Wert zu ermitteln, wird der zu testende Kraftstoff mit einer Mischung aus Iso-Oktan und n-Heptan über einen international genormten Test, dem sogenannten "CFR-Prüfverfahren" verglichen. Das passiert mit einem Einzylinder-Norm-Motor bei konstanter Zündeinstellung und Verdichtung, einer  Drehzahl von 600 U/min und einer Einlass-Lufttemperatur von 52 °C.
In einem ersten Schritt wird ermittelt, bei welcher Verdichtung der Motor mit dem Kraftstoff zu klopfen beginnt. Dann wird bei gleichen Bedingungen ein Iso-Oktan-n-Heptan-Gemisch in seinem Verhältnis so lange verändert, bis das gleiche Klopfverhalten auftritt. Ist beispielsweise 95 % Iso-Oktan vorhanden, ist die Research-Oktanzahl des getesteten Kraftstoffes gleich 95 ROZ.
   
MOZ
Motor-Oktanzahl
MOZ wird auch "Mechanische Oktanzahl" genannt und ist die US-Variante. Hier werden beim Norm-Motor härtere Bedingungen angelegt, nämlich 300 U/min mehr, eine automatisch verstellbare Zündeinstellung sowie eine Gemischvorwärmung auf immerhin 149 °C. Dadurch ist die MOZ immer niedriger als die ROZ.
In manchen Ländern wird auch der Mittelwert aus ROZ und MOZ, also (ROZ + ROZ)/2 angegeben.
  
SOZ
Straßen-Oktanzahl
SOZ wird unter besonders harten und realistischen Bedingungen auf die Straße gemessen, bei denen der Kraftstoff seine Leistungsreserven beweisen muss. Ein Test wird bei gleich bleibend hoher Drehzahl und bei Vollgas gefahren. Auch der SOZ-Test ist international genormt, so dass die Ergebnisse vergleichbar sind.

Kraftstoffarten
Meist wird zwischen Normal- und Superbenzin unterschieden, wobei man einen Qualitätsunterschied vermuten könnte. Das ist jedoch nicht der Fall, denn beide Kraftstoffarten sind, was Reinheitsgrad, Entzündbarkeit  und Heizwert betrifft, beinahe gleich. Alle Kraftstoffe sollten nur etwa 0,6 - 1,5 % Benzol enthalten und einen Schwefelgehalt von max. 50 mg/kg.
Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal ist die Oktanzahl und damit die Klopffestigkeit. Bei höher komprimierten Motoren, erwärmt sich das Kraftstoffgemisch stärker. Um Selbstzündungen im Verbrennungsraum zu vermeiden, benötigen diese Motoren klopffesteres Superbenzin. Solche mit einem niedrigen Verdichtungsverhältnis kommen mit Normalbenzin aus.

Art

ROZ

MOZ

SOZ

Normal 91,0 82,5 -
(EURO-)Super 95,0 85,0 -
Super Plus 98,0 88,0 -
Shell V-Power, Aral Ultimate 100,0 100,0 -
In Deutschland legt die DIN 51 600 bzw. DIN 51 607 die Mindest-Oktanwerte für Kraftstoff fest. In anderen Ländern gibt es vergleichbare Standards. 
Shell V-Power und Aral Ultimate sind eingetragene Warenzeichen ® der jeweiligen Unternehmen.

Mehr Leistung durch 100 ROZ?
Eine Frage, die immer wieder die Stammtische bewegt, ist: Bringen Super-Power-Kraftstoffe mit 100 ROZ auch nun wirklich Leistung?
Dem ist beispielsweise der ADAC in umfangreichen Test mit  VW Golf 1.4 16V, BMW 316i, Audi A3 2.0 FSI und Porsche Boxster nachgegangen. Die Ergebnisse mit Shell V-Power waren eher ernüchternd: Die Werbeaussage einer Leistungssteigerung bis 10% konnten die ADAC-Leute nicht bestätigen. Nur beim Golf und Porsche wurden Verbesserungen bis maximal 2% festgestellt, die damit jedoch im Bereich der Messtoleranz lagen. Genauso wie die 1% Verschlechterung beim BMW und Audi.
Ist eigentlich auch klar, denn die meisten Motoren werden vom Hersteller auf höchstens 98 ROZ ausgelegt und so kann die Differenz kaum einen Vorteil bringen.
Fragte man bei Shell-Mitarbeitern genauer nach, wurde deutlich, dass deren Messungen sehr hohe Toleranzen bei den Leistungssteigerungen zeigten. Innerhalb einer Fahrzeugbaureihe wurde durchschnittlich 3 -6 % Mehrleistung gemessen. Aus statistischer Wahrscheinlichkeit ist da auch mal 10% drin, allerdings blieb bei einigen Fahrzeugen die Leistung auch unverändert.
Fazit: Wenn die Wahrheit zwischen 0% und 10% liegt, kann kein Leistungszuwachs garantiert werden. Hat man das richtige Fahrzeug, kann der Unterschied spürbar werden. Alle anderen tanken für mehr Geld nur einen Mythos. Also: Selbst testen und entscheiden, ob man sich und seiner Suzi den Power-Sprit gönnen möchte.

SUPER E10
Seit 2011 wird in Deutschland eine neue Kraftstoffsorte angeboten, das so genannte SUPER E10. Es ist ein 95 ROZ Superkraftstoff mit einem 10% Anteil an Bioethanol. Die Frage ist, ob dieser Kraftstoff auch für alte Motorräder geeignet ist. SUZUKI sagt dazu:
Über den zu verwendenden Kraftstoff (Oktanzahl 91 = Normalbenzin bzw. 95 = Superbenzin) gibt grundsätzlich das Fahrerhandbuch Auskunft. Auch wenn dort nichts über die Verwendung von Kraftstoffen mit Bioethanol-Beimischung steht, können Kraftstoffe mit bis zu 5% Bioethanol (E5), also das normale Superbenzin, bedenkenlos gefahren werden. Ab Modelljahr 1992 sind viele und ab Modelljahr 2002 sind alle Motorräder und ATVs auch für Superbenzin mit einem Ethanolanteil von 10% (E10) geeignet. Die offizielle Freigabeliste kann hier herunter geladen werden
Fahrzeuge bis einschließlich Modelljahr 1991 sind von SUZUKI nicht für E10 freigegeben und es muss ein anderer Kraftstoff ohne oder nur mit geringen Bioethanol-Beimischungen verwendet werden.
Und noch ein Hinweis: Auch wenn dein Moped für E10 freigegeben ist, sollte der Kraftstoff nicht zu lange gelagert werden. Bei langen Standzeiten und vor dem Einmotten zum Winter solltest du einen Kraftstoff mit geringem Bioethanol-Anteil tanken, damit das gute Stück nach der Pause ohne Probleme anspringt. 

Kraftstoffzusätze
werden eingesetzt, um Ablagerungen im Verbrennungsraum oder an den Ventilen zu beseitigen und eine bessere Verbrennung zu gewährleisten. Die Ablagerungen sind Verbrennungsreste von langkettigen Kohlenwasserstoffen, die langsamer und nur bei sehr hohen Temperaturen verbrennen. Sie sind im Kraftstoff normal enthalten. Manchmal geraten sie auch vermehrt durch Rückstände aus schlecht gereinigten Erdtanks in den Kraftstoff. Tankt man jedoch bei einer Tankstelle, die gut frequentiert wird, ist die Gefahr, sich etwas von dem "Bodensatz" einzufangen, sehr gering. 
Im Tank eines Fahrzeuges passiert bei längeren Standzeiten übrigens das Gleiche wie im Erdtank der Tankstelle. Die schweren Bestandteile des Kraftstoffs sinken nach unten und bilden eine zündunwillige Suppe.
Nur wenn der Motor kaum bewegt oder häufig im Kurzstreckenverkehr eingesetzt wird und nicht seine volle Betriebstemperatur erreichen kann, werden also die langkettigen Kohlenwasserstoffen zum Problem, denn dann versagt die Selbstreinigung und es bilden sich Ablagerungen.
Meine Meinung: Man kann sich die Zusätze getrost sparen und sollte einfach häufiger kräftig am Gashahn drehen. Das brennt auch hartnäckige Ablagerungen weg und macht zudem viel mehr Spaß. Das gesparte Geld sollte man besser in eine vernünftige Einstellung des Motors, ein gutes Öl oder bessere Zündkerzen investieren.

Was unsere GS-Motoren also brauchen...
In den Bedienungsanleitungen der meisten GS-Modelle empfiehlt Suzuki: "Tanken Sie Benzin mit 90 oder mehr Oktan (Versuchsmethode), möglichst bleifrei oder mit geringem Bleigehalt.
Dabei steht "Versuchsmethode" für den ROZ-Wert und heißt, dass unsere Suzukis durchaus mit Normal zufrieden sind - in den meisten Fällen jedenfalls.
Bei hohen Temperaturen, sehr sportlicher Fahrweise, langer Autobahnhetze oder bei alternden Motoren mit viel Rückständen im Verbrennungsraum kann es leichter zum Klopfen kommen. Dann ist Super-Kraftstoff die richtige Wahl. Blei im Sprit oder andere Benzinzusätze sind aber nicht erforderlich.
Hochoktanige Kraftstoffe erhöhen meist nicht die Leistung des Motors, sie können jedoch mit höherer Kompression und thermischer Belastung besser umgehen. Glaubt nicht jedem Ammenmärchen, probiert es selbst. 
Der neue SUPER E10 ist nicht für SUZUKIs vor 1992 geeignet (siehe Freigabeliste).
Generell sollte man darauf achten, bei einer Tankstelle zu tanken, bei der man auf gleich bleibende Qualität vertrauen kann - denn manchmal wird Sprit genauso gepanscht wie schlechter Wein.

Teile dieses Textes basieren auf einer Beschreibung von Schibi von der Website m-j-s-motorbox.de, der mir die freundliche Genehmigung gegeben hat, das Material zu verwenden.
© Michael (26.02.11 )    [Start]