Technik: Massenausgleich im Kurbeltrieb

Jeder hat es schon mal beim Auswuchten von Rädern gesehen: Damit dies im Betrieb möglichst ruhig läuft, wird ein Auswuchtgewicht am Rad befestigt. Dadurch wird eine Unwucht ausgeglichen, welche sich im Rad oder Reifen befindet. Deren Größe lässt sich ganz einfach berechnen.
Die Formel für Unwucht ist U = m x r (d.h. Masse mal Radius). Wenn das Auswuchtgewicht also 10 Gramm schwer ist und man es am Außendurchmesser eines 16-Zoll-Rades befestigt, entspricht das einer Unwucht von 10 Gramm x 8 Zoll x 25,4 mm/Zoll = 2032 gmm. Hierbei ist "8" der Radius des Rades und "25,4" der Umrechnungsfaktor zwischen Zoll und mm.
Was lernen wir daraus? Jede exzentrisch angeordnete Masse erzeugt eine Unwucht. Im errechneten Beispiel entspricht das auch einem Gewicht von mehr als 2 kg, welches an einem Radius von nur 1 mm wirkt!
Im Kurbeltrieb finden sich ähnlich große Massen, die exzentrisch angeordnet sind. Das sind der Hubzapfen, die Pleuelstange und der Kolben. Will man einen Kurbeltrieb "beruhigen", muss bereits der Konstrukteur dafür Sorge tragen, dass diese Massen durch so genannte Gegengewichte ausgeglichen, also gewissermaßen ausgewuchtet werden.
Um das Prinzip zu verstehen, sehen wir uns den Einzylinder-Motor an.
   
Konstruktiver Massenausgleich
Die Abbildung 1 zeigt eine Kurbelwelle im Querschnitt mit Hauptlager (grau), Hubwange und Hubzapfen (blau). Um letztere konstruktiv "auszuwuchten",  wird gegenüber ein Gegengewicht an der Kurbelwelle vorgesehen (Abb. 2, blau).
Das Gleiche gilt für den Teil der Pleuelstange, die mit der Kurbelwelle rotiert. Auch diese Masse wird konstruktiv im Gegengewicht ausgeglichen (Abb. 3, orange). Schließlich werden der hin- und hergehende Teil der Pleuelstange und des Kolbens im Gegengewicht ausgeglichen (Abb. 4, grün).
Ausgleich oszillierender Massen
Die hin- und hergehenden Kurbeltriebselemente werden auch oszillierende Massen genannt. Hat man die zu 100% ausgeglichen, ergibt sich im OT und UT ein Gleichgewicht der Fliehkräfte (gelbe Pfeile). In horizontaler Richtung, d. h. mit 90° und 270° Drehwinkel, wirken die vollen Fliehkräfte der entsprechenden Massenanteile in den Gegengewichten. Der Motor würde in dieser Richtung also stark vibrieren.
Nun könnte man den Ausgleich der oszillierenden Massen auch ganz weglassen. Der grüne Anteil in den Gegengewichten wäre damit 0%. Dann hätte man in horizontaler Richtung keine freien Fliehkräfte, doch in vertikaler Richtung (OT-UT) wiederum große Fliehkräfte mit entsprechenden Vibrationen.
Die Konstrukteure werden daher nur einen Teil der oszillierenden Massen in den Gegengewichten vorhalten. Man spricht auch vom Ausgleichsgrad oder "Wuchtgrad" und der liegt meist zwischen 110% bis 160%. 
Das bedeutet, dass in einem normalen Kurbeltrieb stets 100% der rotierenden und 10 - 60% der oszillierenden Massen in den Gegengewichten ausgeglichen werden. So ergeben sich relativ kleine nach außen wirkenden Kräfte und ein schwingungsarmer Motor.
  
Massenausgleich durch Ausgleichswelle
Bei Hubkolbenmotoren lassen sich freie Fliehkräfte also nicht vermeiden. Da diese (Abb. 1, gelber Pfeil) entgegen der Drehrichtung des Motors (Abb. 1, schwarzer Pfeil) rotieren, lassen sie sich auch nicht durch nachträgliches Auswuchten eliminieren. Will man dennoch einen schwingungsarmen Motor, muss man die verbliebenen Fliehkräfte durch zusätzliche Maßnahmen kompensieren. Das geschieht durch eine gegenläufig rotierende Ausgleichswelle (Abb. 2).
   
Ausgleichswellen in GS-Motoren
SUZUKI hat dieses alte Prinzip bei der GS 400 und GS 450 angewendet und konstruktiv angepasst.
Der Kurbeltrieb mit zwei Hubzapfen (1) wird über solide Stirnräder (2) mit der Ausgleichswelle (3) verbunden. Das Übersetzungsverhältnis ist 1:1, denn beide Wellen sollen mit der gleichen Drehzahl rotieren. Die Ausgleichswelle arbeitet gegenläufig zur Kurbelwelle, genauso wie oben beschrieben.
Da es sich um einen Zweizylinder-Motor mit einem Kurbelversatz von 180° handelt, besitzt dieser ein freies Massenmoment. Um es zu kompensieren, trägt die Ausgleichswelle nicht ein sondern zwei Gegengewichte (4). Das funktioniert in der Praxis sehr gut: Die kleinen GS laufen fast so schwingungsarm wie Vierzylinder.
Apropos Vierzylinder: Welche Massenkräfte wirken dann da? Benötigt der auch eine Ausgleichswelle?
Die üblichen Reihen-Vierzylinder-Motoren haben ein Kurbelwelle mit symmetrisch angeordneten einzelnen Kurbeltrieben. Stehen die äußeren auf OT, sind die inneren bei UT. So heben sich die beschriebenen Fliehkräfte gegenseitig auf und nach außen wirken keine freien Kräfte oder Momente. Theoretisch ist ein Reihen-Vierzylinder-Motor also prima "ausgewuchtet". Stimmt aber nicht ganz, denn in der zweiten Ordnung (zweifache Drehfrequenz) weist er Schwingungen auf. Doch jetzt wird es richtig akademisch und ich erspare Euch diese Feinheiten. 
Wer bis hier wacker durchgehalten hat und unten weiter klickt, erhält Infos über das richtige Auswuchten der Kurbeltriebseinzelteile. 
   

© Michael (25.03.06 )    [Start]