Fahrwerksgeometrie prüfen 

Wenn man nicht mehr so recht geradeaus fahren kann, kein sauberer Strich in den Kurven gelingt, kann das Fahrwerk verzogen sein. Das Messen der Fahrwerksgeometrie ist natürlich meist eine Arbeit für Spezialisten mit Rahmenlehren, aber eine erste Überprüfung kann man auch mit Hausmitteln erledigen.
Bevor es los geht, kannst Du Dir hier die wichtigsten Begriffe anschauen.
      
Schritt 1: Motorrad senkrecht ausrichten
Um aussagekräftige Messungen durchzuführen, muss das Motorrad richtig ausgerichtet werden. Dazu stellst Du es möglichst nicht auf den Hauptständer, sondern auf Böcke, die unter den Rahmen oder den Motor geschoben werden. Das ganze sollte sehr stabil sein, damit sich während der folgenden Messungen nichts verschieben kann. 

Prüfe zunächst, ob die Felgen oder Reifen einen Seitenschlag haben. Ist er größer als etwa 2 - 3 mm, sollte er erst entfernt werden, damit die späteren Messungen sinnvoll sind.

Für das Ausrichten eignet sich das Hinterrad besser als das Vorderrad, da hier oft keine Scheibenbremse eingebaut ist, die im Wege ist. 
   

  • Nimm einen starken, farbigen Faden (hier blau) an dem ein Gewicht (Mutter, Bleigewicht) befestigt ist und halte ihn lotrecht an die obere Kante eines Reifens. An der unteren Kante wird jetzt wahrscheinlich ein Abstand (A) zu erkennen sein. Falls nicht probiere die andere Reifenseite.
       
  • Durch Unterfüttern der Böcke sollte der Abstand (A) auf einen möglichst kleinen Wert (ca. 2 - 3 mm) verringert werden. Damit steht das Motorrad ausreichend senkrecht. 
Schritt 2: Spur bestimmen
Lege einen Faden (hier rot) um die beiden Räder. Der Faden sollte nur die Reifen berühren und möglichst weit oben angebracht sein.
   
  • Richte jetzt das Vorderrad zum Hinterrad gerade aus, so dass die Abstände (V) auf beiden Seiten des Vorderrades gleich sind.
       
  • Als nächstes fertige Dir ein Stück Holz an, das genau der Breite des Hinterradreifens entspricht. Gut geeignet ist eine leichte Leiste oder auch ein Bleistift, in den auf beiden Seiten eine kleine Kerbe geschnitten wird. So kannst Du das Holz direkt hinter den Vorderradreifen rechtwinklig zwischen die Fäden klemmen. Das Referenz-Holz solltest Du mit Klebeband am Reifen in dieser Position sichern.
      
  • Schau Dir jetzt das Hinterrad an. Der Faden wird meist einen unterschiedlichen Abstand (H) auf beiden Seiten haben. Gleiche die Abstände einfach durch Einstellen der Hinterrad-Kettenspanner aus. Hast Du das Referenz-Holz vorne richtig angebracht, wird der Abstand theoretisch verschwinden.
       
  • Prüfe jetzt am Vorderrad nach, ob die Abstände (V) noch gleich sind. Falls ja, sind die Räder genau ausgerichtet. Kleine Abweichungen von etwa 0,5 mm sind vernachlässigbar.
       
  • Falls die Abstände größer sind, musst Du die ganze Prozedur solange wiederholen, bis alles stimmt. Gelingt es Dir nicht, ist wahrscheinlich der Rahmen verzogen oder die Räder haben einen zu großen Seitenschlag.
Schritt 3: Radflucht bestimmen
Wenn Du schon im Schritt 2 Abweichungen festgestellt hast, kann es sein, dass die Räder auch eine unterschiedliche Neigung haben.  Ursachen können ein verzogener Rahmen, eine krumme Schwinge oder eine verbogene Telegabel sein - das sind durchaus übliche Probleme.
Bei den folgenden Messungen solltest Du darauf achten, das Motorrad nicht mehr zu bewegen, denn damit werden die Ergebnisse ungenau.

Messe beim Vorder- und Hinterrad die Länge des Fadens (L) und den Abstand zum Reifen (A).  Ist kein Abstand messbar, versuche die andere Reifenseite. Versuche auch nicht die Abstände zu verkleinern, denn das ändert nichts an der Aussagefähigkeit der Messung.
Jetzt trage die Werte in die folgende Tabelle ein.
   

Messung Vorderrad Hinterrad Flucht
Fadenlänge (L) LV = ______ mm LH = ______ mm F  = ________ °
Abstand zum Reifen (A) AV = ______ mm AH = ______ mm

Berechne die Flucht der Räder zueinander mit den folgenden Näherungsformeln, 
die für Winkel bis maximal 5 ° gelten:

Wenn LV etwa gleich LH ist, berechne die Flucht mit  F  = 57 * (AH -AV)/LV
Wenn LV nicht gleich LH ist, berechne die Flucht mit  F  = 57 * (AH/LH - AV/LV)

Die Flucht ist F = 0,0 - 0,5° ?
Glückwunsch, denn Dein Fahrwerk ist einwandfrei - beinahe schon zu gut. Bist Du sicher, dass Du richtig gemessen und gerechnet hast? Reparieren musst Du nichts, denn meist werden kleine Werte bis 0,5 ° beim Fahren kaum wahrgenommen.

Die Flucht ist F = 0, 5 - 1,5° ?
Etwas ist krumm und Du solltest die Schwinge und die Telegabel prüfen und gegebenenfalls richten. Hier lohnt sich eine überschaubare Reparatur, wenn die Fahreigenschaften nicht befriedigend sind.

Die Flucht ist F > 1,5° ?
Bei großen Werten ist meist der Rahmen betroffen. Er muss vermessen und gerichtet werden.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel von Dr. Robin Tuluie, der ursprünglich in englischer Sprache auf  motorcycle.com publiziert wurde.
Michael (27.03.04 )    [Start]