Erste-Hilfe-Set, Verbandkasten mitführen

Wer sich auf sein Motorrad setzt, geht davon aus, gesund und sicher wieder zuhause anzukommen. Wenige denken da an Verbandmaterial. Doch wie sieht es aus, wenn man einer anderen Person erste Hilfe leisten muss?
Eine viel diskutierte Frage ist, ob es auch beim Motorrad eine Pflicht gibt, einen Verbandkasten dabei zu haben. 
Um es gleich klarzustellen: In vielen Staaten existieren gesetzliche Regelungen für das Mitführen von Verbandkästen im Straßenverkehr - auch für Motorräder. Die Vorschriften können sich von Land zu Land jedoch unterscheiden. Deshalb habe ich euch hier einige Informationen zusammen getragen, um Licht in den Paragraphendschungel zu bringen.
   

Egal, ob es vorgeschrieben ist oder nicht: Ein Erste-Hilfe-Set mitzuführen, ist sehr wichtig. Das bringt mich zu einer netten Geschichte: Ein strammer GS-Fahrer, der seit 1978 seine 550er unfallfrei durch Europa und Afrika rollen lies, sah bei ALDI eine Verbandtasche und kaufte sie spontan, um in Zukunft für den Fall der Fälle gerüstet zu sein. Doch wohin damit? Als richtiger Platz erschien der praktische Heckbürzel, aber das Ding wollte partout nicht hineinpassen. Beim Nachforschen, was denn da so klemmte, förderte er tatsächlich die oben gezeigte Original-SUZUKI-Verbandtasche zu Tage, die ein Mitarbeiter der Deutschlandvertretung dort vor beinahe 30 Jahren (!) versteckt hatte. 
Ist das nicht ein gutes Gefühl? SUZUKI hat sich also schon immer um unsere Gesundheit gesorgt - auch wenn dies manche nicht gemerkt haben.

Verbandkasten oder -tasche
Ob man einen Kasten oder eine Tasche verwendet, war bisher nicht wichtig, sondern nur der Inhalt. Der ist in Deutschland in der DIN 13164 " Erste-Hilfe-Material - Verbandkasten B" festgelegt. Ein solches Erste-Hilfe-Set enthält nicht nur Verbandmaterial (Mullbinden, Wundauflagen, Dreiecktücher, Heftpflaster, etc.), sondern auch andere wichtige Dinge. Dazu gehören meist eine Rettungsdecke, Einmalhandschuhe, Scheren und ein Stück Kreide.
Die EU-Kommission für Verkehrsrecht hat jedoch mit der Verordnung 01-04/2006 beschlossen, dass auch Motorräder mit mehr als 125 ccm ab dem 01.08.2006 einen "vollwertigen" Verbandkasten (z.B. nach DIN-13164) mitführen müssen. Nur so kann laut dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, Dr. Skjelbö gewährleistet werden, dass bei Unfällen mit Verletzten auch ein hinzukommender Motorradfahrer mit ausreichenden Materialien Erste Hilfe leisten kann.
Wo die Biker den sperrigen Kasten unterbringen sollen, verrät Dr. Skjelbö leider nicht. Doch da die Umsetzung in nationale Gesetze zur Zeit aussteht, kann man noch abwarten.  Nur die Hersteller werden für neue Modelle bald einen Platz für die Unterbringung des Kastens finden müssen. 

Nach neuester Norm
Seit Anfang 1998 gilt für Verbandkästen in Kraftfahrzeugen eine neue DIN-Norm, die folgende Änderungen brachte:

DIN 13164 (Dezember 1987) DIN 13164 (Januar 1998)
4 Wundschnellverbände 8 Wundschnellverbände
9 Mullbinden 5 Fixier- bzw. Mullbinden
Verbandtuch, Ölkreide und Sicherheitsnadeln (keine)
(keine) Rettungsdecke, min. 2.100 mm x 1.600 mm 

Durch Anpassung des § 35 h StVZO an die neue DIN-Norm wurde in einer Übergangsbestimmung festgelegt, daß diese spätestens ab dem 01. Juli 2000 auf Verbandkästen anzuwenden ist, die von diesem Tage an erstmals in Fahrzeugen mitgeführt werden. Das bedeutet, dass Kästen der älteren DIN-Norm weiter benutzt werden können und auch nicht nachgerüstet werden müssen (z.B. mit Rettungsdecke). Ungeachtet der Gesetzeslage ist die Nachrüstung bzw. ein kompletter Austausch aber sinnvoll.

Verfalldatum
Verbrauchtes Material muss nach der Verwendung umgehend ersetzt und unverbrauchtes regelmäßig überprüft werden. Sterile Kompressen, Verbandpäckchen und das Verbandtuch sind daher mit einem Verfalldatum versehen. Auch Einmalhandschuhe, Heftpflaster und Wundschnellverbände werden mit der Zeit durch Alterung unbrauchbar.
Übrigens sagt die DIN 13164 nichts über das Verfallsdatum der Materialien.  Auch das beim Thema "Verfalldatum" oft zitierte deutsche Medizinproduktegesetz (MPG) bezieht sich nicht explizit auf den Straßenverkehr.  Daher können auch keine Verwarngelder wegen abgelaufener Verbandkästen ausgesprochen werden. Es fehlt schlicht das passende Gesetz. Dennoch kommt es durch Unwissenheit häufig zu unrechtmäßig verhängten Verwarngeldern. Wen es trifft, der kann mit Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage Einspruch erheben.

Hier die Regelungen in einigen Ländern:

Deutschland Das Mitführen von Verbandkästen oder -taschen ist für alle Kraftfahrzeuge Pflicht und wird in § 35h der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) geregelt.
   
Belgien Verbandkästen oder -taschen sind für alle Kraftfahrzeuge vorgeschrieben.
   
Bosnien und Herzegowina Verbandkästen sind mitzuführen.
   
Dänemark Verbandkästen oder -taschen sind für alle Kraftfahrzeuge vorgeschrieben.
   
Frankreich Es gibt keine gesetzliche Regelungen, einen Verbandkasten dabei zu haben.
   
Luxemburg Es besteht eine Mitführpflicht für Verbandkästen.
   
Österreich 

Gemäß Kraftfahrgesetz (§ 102 Abs. 10 KFG) ist für alle Kraftfahrzeuge lediglich Verbandzeug vorgeschrieben "..., das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist". 
Sets nach diesem Gesetz sind daher nur knapp bestückt und im Notfall keine große Hilfe. Besser ausgestattet sind Verbandpäckchen nach ÖNORM V 5100 bzw. V 5101.

   
Schweiz

Das Straßenverkehrsgesetz (SVG) schreibt nur vor, dass man bei Unfällen mit Personenschaden für Hilfe zu sorgen hat, soweit dies zumutbar ist. Es gibt keine explizite Verpflichtung, Verbandkasten oder sonstiges Erste-Hilfe-Material dabei zu haben. Die Entscheidung liegt also beim Einzelnen. Aus der Verpflichtung zur Hilfe heraus ist es jedoch empfehlenswert, einen Verbandkasten nach DIN 13164 mitzuführen, der auch in der Schweiz vertrieben wird.

   
Vereinigtes Königreich Es besteht keine Verpflichtung, Verbandkästen, Warnwesten, Pannendreieck oder Feuerlöscher mitzuführen. Britische Touristen müssen bei Reisen im Ausland daher einen eigens auf die europäische Gesetzeslage zugeschnittenen "European Travel Kit" erwerben.

Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit und stellt auch keine Rechtsberatung dar. 
© Michael (08.10.07 )    [Start]